Neulich beim Arzt

Ich saß im Wartezimmer und beobachtete das Geschehen um mich herum. Insofern nichts Ungewöhnliches, da ich grundsätzlich bemüht bin, im „Hier und Jetzt“ zu sein. Also mir möglichst wenig Gedanken darüber zu machen, ob früher wirklich alles besser war oder mich mit Problemen zu beschäftigen, die in der Zukunft vielleicht auf mich zukommen könnten.

Könnten! Genau in diesem Konjunktiv sprach die MFA am Empfang auch mit der ihr gegenüberstehenden Patientin. „Wir könnten uns nächste Woche bei Ihnen melden, wenn uns bis dahin die Ergebnisse vorliegen.“ Ohne zu wissen, um welche Ergebnisse es sich dabei handelt, empfand ich diese Aussage als eher schwierig. „Könnte nächste Woche“ ist nur geringfügig verbindlicher als „Lass uns mal wieder treffen“. Das sind übrigens solche Treffen, die in meinem Leben nicht stattfinden werden. Vielleicht irgendwann durch Zufall und erneut mit der Feststellung versehen: “Wir sollten uns mal wieder treffen.“ Jedoch stets mit dem gleichen Ergebnis: Man könnte oder sollte.

Dummerweise kam die Patientin wohl zu einem ähnlichen Ergebnis und fragte höflich nach, wann sie denn in etwa mit der Benachrichtigung rechnen könne. Diese Frage war anscheinend eine Frage zu viel, so vermute ich, denn anders lässt sich für mich die schroffe Antwort der Mitarbeiterin nicht erklären, die im forschen Ton meinte: “Ich sagte doch, wenn das Ergebnis da ist. Wir können schließlich nicht hexen, und eine Glaskugel haben wir auch nicht.“ Das war offensichtlich ein Volltreffer, denn ich nahm wahr, dass sich die Körperhaltung, Mimik und Gestik der Patientin schlagartig veränderte. Aus dem freundlichen und verständnisvollen Ausdruck, wie ich es empfand, wurde innerhalb weniger Sekunden eine sehr ernste und verärgert schauende Dame. „Sie werden doch Erfahrungswerte haben, wie lange das in etwa dauert“, fauchte sie jetzt in einem ähnlich aggressiven Ton zurück.

„Sie sehen doch wohl, was hier los ist. Wir sind unterbesetzt, und mehr als arbeiten können wir nicht“, antwortete die Mitarbeiterin im scharfen Ton.

Im weiteren Gesprächsverlauf kamen noch Themen wie:

  • Wir sind hier im Stress
  • Zu wenig Mitarbeiter
  • Fachkräftemangel
  • Das müssen Sie mal dem Chef erzählen

Die Stimmung innerhalb des Teams schien mir sehr angespannt, und so hörte ich aus allen Ecken, „keine Zeit, kannst du mal…“.

Spätestens, als mir das zweifelhafte Vergnügen zuteilwurde, zu beobachten, dass der Arzt ebenfalls absolut gestresst und gereizt wirkte, musste ich mich hinterfragen, ob ich diesen Termin, auf den ich seit 40 Minuten warte, überhaupt noch wahrnehmen möchte. Meine Gesundheit in die Hände von Menschen zu legen, die offensichtlich total überfordert sind, gibt mir nicht das Gefühl von Sicherheit und Vertrauen, das ich bei einem Arztbesuch dringend brauche.

Während ich der Mitarbeiterin am Empfang mein Feedback geben wollte, weshalb ich meinen Termin nach mittlerweile 50 Minuten Wartezeit nicht wahrnehmen möchte, entschied diese sich dazu, ein Telefonat entgegenzunehmen und mich wegzunicken.

Beim Verlassen der Praxis sah ich ein handgeschriebenes Schild „Dringend Mitarbeiter gesucht“. Ich musste grinsen und den Kopf schütteln.

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